Interview mit SIGI ZIMMERSCHIED

(15.01.2012 - Lustspielhaus München)

Bayerische Kultserien: Herr Zimmerschied, stimmt es dass Sie schon seit 1975 auf der Bühne stehen?

Sigi Zimmerschied: Ja, ziemlich exakt seit Juni 1975.

B K: Wissen Sie noch wie oft Sie hier im Lustspielhaus gespielt haben?

S Z: Seit es das Lustspielhaus gibt. Geschätzte 200 - 300 mal.

B K: Denken Sie die Zuschauer sind immer noch dieselben Leute von damals oder ist auch jüngeres Publikum mitgewachsen?

S Z: Naja, es ist so dass mein Publikum ein sehr spezielles Publikum ist, dass immer wieder aus ähnlichen Leuten besteht. Vom Wesen her und von der Altersstruktur aus gesehen mitwachsend. Das heißt Zuschauer von früher und auch Jüngere, die Lust haben an ungewöhnlichen Kabarettformen und die an "Mainstream-Kabarett" nicht so interessiert sind. Also ein kleines, aber feines Publikum.

B K: Man sieht Sie in den letzten Jahren ja wieder häufiger in Kinofilmen oder im Fernsehen. Haben sie das Gefühl, dass dadurch auch das Interesse an ihren Auftritten gestiegen ist?

S Z: Das ist etwas, dass sich sehr selten austauscht. Das Kabarettpublikum ist ein eigenes und auch das Filmpublikum. Es überschneidet sich zwar ein bisschen, aber ich glaube die Leute, die den Weg ins Kino finden oder sich eine Serie anschauen, selten den Arsch in die Höhe bringen um ein Kabarett zu sehen.

B K: Sie haben ja auch früher schon mal in Filmen mitgespielt. Warum erst jetzt wieder vermehrt?

S Z: Ich hatte so von Ende der 80er bis ca. 2004/05 sehr viele eigene Projekte, die ich realisiert habe und die sehr zeitaufwendig waren. Ich habe z.B. in multifunktionaler Form einen eigenen Film gemacht. Da war ich ja Produzent, Regisseur, Autor und Darsteller. Das war ein Prozess, der mich mit Schnitt und Präsentation allein 4-5 Jahre in Anspruch genommen hat. Dann habe ich Bücher selber verlegt und auch sehr aufwendige Kabarettprogramme gemacht, die ich in der Form immer weiter entwickelt habe. Damit war ich so eingespannt in meine eigenen Arbeiten, dass der Gedanke woanders mitzuwirken gar nicht vorhanden war. Wenn man dann allerdings diese "Leib- und Magen-Projekte", wie ich sie immer bezeichne, hinter sich gebracht hat, dann bekommt man auf einmal wieder Lust auf andere Dinge. Leider war es auch so, dass das Kabarett eine etwas bedauerliche Entwicklung gemacht hat. Da wurde vieles auch von den Medien bestimmt und in eine Einheitsform gegossen. Deshalb war dann auch diese Form nicht mehr die große Herausforderung. Das alles hat dann den Weg erleichtert, mich auch mal wieder mit meiner zweiten Leidenschaft, nämlich der Schauspielerei, anzufreunden und somit  wieder in Filmen zu spielen oder an einer ambitionierten Serie mitzuwirken. Aber das war, wie schon gesagt, einfach eine lange Zeit außen vor, weil ich einfach mit meinen eigenen Sachen so beschäftigt war.

B K: Es lag also nicht daran, dass Sie keine Rollen angeboten bekommen hätten?

S Z: Nein, die gab es immer wieder. Manchmal muss ich auch selber über mich schmunzeln, was ich so alles abgelehnt habe. Aber es war einfach nicht die richtige Zeit.

B K: Mit "Schartl", haben Sie in dieser Zeit ja auch einen "Kultfilm" geschaffen. Hätten Sie nicht mal wieder Lust so etwas zu machen?

S Z: Das ist nicht mehr machbar. Wenn man in der Mitte des Lebens ist, so zwischen 30 und 40, da hat man die Power, Energie und auch diese Kamikaze-Mentalität alles auf's Spiel zu setzen. Es war wichtig, dass ich das damals gemacht habe. Sollte ich ab jetzt nie wieder einen Film machen und alle Projekte, die ich noch mache, scheitern, dann kann ich immer noch sagen "So hätts aus'gschaut!". Somit hat man vor sich selber nicht mehr die Ausrede "So wär's g'wesen", sondern man hat es einfach mal gemacht und es war halt schlichtweg nicht massenkompatibel. Ein zweites mal diesen Aufwand, auch aus finanzieller Sicht, würde ich nicht mehr stemmen. Das war schon ein Herkules-Akt so etwas ganz allein zu realisieren. Aber es besteht auch immer die Hoffnung, dass vielleicht mal ein verrückter Produzent oder Redakteur aus dieser Masse heraus sticht und sagt "Lass uns mal sowas versuchen!". Sollte sich mal so ein Partner finden, dann würde ich das auch wieder machen.

B K: Bei diesem Film haben Sie ja wirklich fast alles allein gemacht.

S Z: Das wäre auch nicht anders möglich gewesen. Man muss sich vorstellen, dass sich heute noch Redakteure mit Grausen abwenden, wenn sie gefragt werden ob sie den Film nicht doch mal im Fernsehen zeigen könnten. Jetzt reden wir aber von einer Zeit, die fast 20 Jahre zurückliegt und  damals wollte erst recht keiner dieses Risiko eingehen. Wobei ich auch glaube, dass das auf einer Art peinlicher Selbstzensur beruht, denn es wurden auch schon die wildesten Monty Phyton-Folgen gesendet. Da regen sich dann die üblichen Verdächtigen eine Zeit lang auf und dann ist es auch schon wieder vorbei.

B K: Könnte mir schon vorstellen, dass es da immer wieder Nachfragen gibt. "Schartl" hat ja doch einen kleinen Kultstatus erreicht.

S Z: Ja, er hat so eine kleine Fan-Gemeinde und es gibt immer wieder Leute, die den Film dann zum ersten mal auf DVD gesehen haben und solche Fragen stellen. Ich beschäftige mich wie gesagt im Moment nicht damit, aber dadurch, dass diese Geschichten im Kopf natürlich nicht aufhören, wäre ich schon bereit dazu. Allerdings nur mit den richtigen Partnern.

B K: Sie haben damals ja auch u.a. mit Günter Grünwald und Andreas Giebel zusammen gearbeitet. Auch diese beiden findet man mittlerweile häufiger in Film und Fernsehen. Ein Trend?

S Z: Diese Überlappung Kabarett/Fernsehen hat es ja immer schon gegeben. Auch Wolfgang Neuss hat man immer wieder in Spielfilmen gesehen, obwohl er Kabarettist war. Genauso wie Dieter Hildebrandt oder Bruno Jonas. Ich glaube einfach, dass Kabarettisten, so fern sie auch eine gewisse schauspielerische Qualität haben, einem Film Farbe und bestimmte Nuancen geben können. Wenn man sich z.B. Monika Gruber anschaut, die sowohl eine gute Kabarettistin, als auch eine hervorragende Schauspielerin ist, dann sind das Farben, die eigentlich immer gefragt sind. Man darf halt nur nicht vergessen, dass es um die "Farbe" geht und nicht meinen, dass dort der Kabarettist mit seinem ganzen Kopf verpflichtet wäre. Man will dann das Gesicht, die Sprache, Mimik und eine bestimmte Komik, aber nicht den ganzen gedanklichen Kontext eines Kabarettisten.

B K: Auf der Bühne sind Sie ja meistens aufbrausend oder sogar wütend. In Filmen eher ruhiger und hinterfotziger.

S Z: Ja, weil es diese anarchistischen Typen kaum gibt. Allerdings spiele ich in einem Film, der jetzt im April ins Fernsehen (ZDF, Arbeitstitel "Kronenhalle", Regie: Max Färberböck) kommt, eine Figur, die meinen Bühnenrollen sehr nahe kommt. Den Typen den ich dort spiele, der ist voll Jähzorn und unkontrollierter Aggression, übrigens meine erste Hauptrolle seit langem.

B K: Da bin ich auch sehr gespannt, denn zufällig war ich als Statist bei Dreharbeiten in München dabei.

S Z: Man muss natürlich sagen, dass Max Färberböck als Regisseur einen sehr intensiven Blick hat und sich getraut hat, das wilde an meiner Figur zu zeigen. Die meisten Drehbücher, die geschrieben werden, sind in sich schon so ausgewogen, dass für solche Figuren gar kein Platz ist. Die Quotenangst in den Medien ist halt doch sehr groß, insofern trifft man selten auf solche ganz sperrigen Figuren in dieser Fernsehlandschaft. Aber hier kann man sich auf etwas freuen, was dann auch wirklich viel mit mir zu tun hat.

B K: Der Film kommt also im April 2012 im Fernsehen. Können Sie kurz erklären um was geht?

S Z: Es ist die authentische Geschichte von 4 Rentnern, die von einem Anlageberater beschissen worden sind, ihn entführen und im Keller einsperren und dann den Spieß umdrehen. Ich spiele den Anführer der Rentner und Uwe Ochsenknecht den Anlageberater. Zum Schluss gibt es ein wüstes Psychoduell zwischen Uwe und mir.

B K: Mit Marcus H. Rosenmüller, der ja im Moment in aller Munde ist, haben Sie ja auch bereits zwei Filme gedreht (Perlmutterfarbe, Räuber Kneißl). Wie war die Arbeit mit ihm als Regisseur?

S Z: Marcus ist ein unheimlich impulsiver Regisseur, den auch zwischendurch der "Spuideifi" packt. (lacht) Er spielt dir Sachen vor, die zwar so wie er es sich vorstellt nie nachspielbar sind, wo man aber zumindest eine Ahnung davon kriegt wie er es meint. Ein Regisseur den man lesen muss. Und wenn man ihn lesen kann ist es sehr vergnüglich mit ihm. Das hat wirklich sehr viel Spaß gemacht.

B K: Hatten Sie auch schon mal Angebote von Helmut Dietl oder Franz X. Bogner?

S Z: (muss lachen) Ja, das zählt zu den Sachen, die ich in meinem Egomanenwahn damals abgelehnt habe. Ich hätte bei fast jeder heute so genannten "Kultserie" mitspielen können. Die Leute, z.B. auch ein Franz X. Bogner haben immer wieder gefragt, aber es war einfach nicht die Zeit für mich. Ich hätte damals keine Minute Zeit für jemand anders abzwacken wollen, weil ich so in meinen eigenen Dingen verwurschtelt war. Deshalb muss ich manchmal etwas über mich schmunzeln und denke, dass das früher vielleicht auch als Arroganz aufgefasst wurde, aber das war es nicht.

B K: Wissen Sie noch welche Dietl-Produktion es gewesen wäre?

S Z: Ja, das wäre eine der "Kir Royal" -Folgen gewesen. (muss wieder lachen) Ich wusste auch, dass das was Tolles wäre, aber ich hab damals was ganz anderes im Kopf gehabt. Vielleicht wäre mein Weg dann etwas populärer verlaufen, aber da es mir um Authentizität ging, habe ich gemerkt dass ich das nicht kann. Ich muss ganz dabei sein und kann keine halben Sachen machen.

B K: Und schon gar nicht bei Helmut Dietl...

S Z: Nicht zu dieser Zeit. Mit wem ich auch sehr gerne zusammen gearbeitet habe, war der Hans Steinbichler, der die letzten beiden "Polizeiruf"-Folgen gedreht hat und eine ganz andere, leise Art hat Regie zu machen. Und halt auch die alte Regieschule von Max Färberböck, der sehr genau, ja fast deutschlehrerhaft, akribisch und "dessurartig" vorgeht und über diese Anstrengung an einen Punkt kommt, der wieder voll stimmt. Aber eben dieses "sich ausliefern" an Jemanden, der ähnlich strukturiert ist und den Kampf zwischen Schauspieler - Regisseur aufzunehmen, da muss man halt zuerst seine eigenen Sachen abgeschlossen haben, sonst wäre man nur halbherzig dabei.

B K: Zur Zeit spielen Sie auch bei der Krimiserie "Hubert & Staller" (mit Christian Tramitz und Helmfried von Lüttichau) mit.

S Z: Das war jetzt mal eine Art Selbstversuch, wie sich das anfühlt, bei so einer populär angekündigten Serie dabei zu sein. Da hatte ich vorher keine Ahnung wie das wird. Was mir hier gefallen hat, dass es pro Folge eigentlich nur einen Monolog gibt, bei dem man aber auch noch gestalterische Freiheit hat. Die Serie an sich ist, glaub ich schon noch steigerungsfähig. Sie läuft zwar jetzt auch durch die beiden Hauptdarsteller erfolgreich an, aber auch was die Drehbücher angeht, ist hier noch mehr drin.

B K: Wie verfolgen Sie die Karrieren von Günter Grünwald und Andreas Giebel, der ja auch bald wieder mit München 7 im Fernsehen zu sehen ist?

S Z: Die beiden kann man natürlich nicht miteinander vergleichen. Der Andreas hat einfach auch die Potenz zum Schauspieler und ist wirklich ein hervorragender Darsteller. Der Günter ist Komödiant durch und durch. Der kriegt das auch nicht weg, egal was er macht. (lacht) Des isser halt und damit wird er auch hoffentlich erfolgreich weitermachen.

B K: Ich hab mal gelesen Sie würden der "Comedy" ja eher kritisch gegenüberstehen.

S Z: Naja, ich steh ihr nur kritisch gegenüber, weil ich diese Begriffsvermengung nicht mag. "Comedy" soll sich als Comedy bezeichnen und Kabarett ist was anderes. Ich hab gestern z.B. im bayerischen Programm mit Entsetzen gelesen, dass dort eine Faschingssendung "die unsinnige Weinprobe" als Kabarett bezeichnet wird. Wo ein paar Leute mit Masken und Nasen Lieder singen und plumpe Faschingsscherze machen. Und hier ist natürlich die Gefahr, dass die Medien den Begriff "Kabarett" verwässern und ihn billig gemacht haben. In solchen Situationen würde ich einfach wert darauf legen, dass das Etikett stimmt.

B K: Sie würden Günter Grünwald schon als Comedy bezeichnen, oder?

S Z: Der Günter ist ein sehr guter und konsequenter Comedian, der das Kabarett schon lange verlassen hat. Aber das muss auch nicht sein, denn die Frage ist nur ob jemand glaubwürdig ist in dem was er macht. Und Andreas Giebel macht ein gutes schauspielerisches Kabarett.

B K: Luise Kinseher hat ja sogar ihre Magisterarbeit über Sie geschrieben...

S Z: Luise schwingt noch ein bisschen hin und her. Ich bin gespannt wo es bei ihr hingeht.

B K: Würden Sie die Bühne jemals ganz verlassen?

S Z: Undenkbar. Die Bühne ist die Basis. Außerdem ist es auch eine wunderbare Herausforderung. Dieses "Switchen" zwischen völlig verschiedenen Spieltemperaturen. Wenn man, so wie heute, auf der Bühne spielt und der letzte sitzt 15 Meter weiter hinten, da muss man ganz anders mit der Stimme und der Mimik spielen, als wenn ich, wie beim Film eine Großaufnahme habe, wo man jeden Ausdruck im Gesicht ganz genau sieht. Auf der Bühne hat man noch dazu keine Wiederholungsmöglichkeit. Aber das sind zwei Spielarten, die sich auch gegenseitig befruchten. Im Film hat man dann einfach den Vorteil einer Flexibilität und einer Textsicherheit eines Bühnenschauspielers. So ist es mir z.B. auch bei "Hubert & Staller" passiert, wo man für meine Dialoge einen Tag eingeplant hatte und wir schon nach drei Stunden fertig waren, weil ich die einfach drauf hatte. Das sind also zwei Spielarten, wo ich aber keine davon missen möchte. Für einen Exhibitionisten ist auch die direkte Reaktion vom Publikum etwas ganz entscheidendes.

B K: Ihr neues Programm heißt "Reißwolf" und handelt von der Bürokratie in Deutschland...

S Z: Das wäre etwas zu kurz gegriffen. Es geht um Erpressbarkeit und die Unbelehrbarkeit des Menschen. Ich spiele eine Figur, die Fahrer bei der Firma "Reißwolf" war und die Akten nicht alle vernichtet hat. Er stellt mit ihnen eigene Dinge an und ist jetzt auf der Flucht und kommt damit in verschiedene Situationen. Am Ende fällt er wieder zurück in seine alte Erpressermentalität und erpresst zum Schluß sogar das Publikum damit. Natürlich spielt da Bürokratie auch eine Rolle, aber das ist eigentlich nur ein Nebenthema.

B K: Gehen sie irgendwann auch mal wieder das Thema "Kirche" an?

S Z: Naja, die Kirche gibt es immer noch (lacht), insofern ist es immer noch Thema, aber nicht das Hauptthema. War es eigentlich, bis auf das erste Stück, dass ich gespielt habe, auch nie. Ich hab mit mal die Mühe gemacht, weil die Zeitung immer geschrieben hatte es geht um die Kirche und habe mitgestoppt wie lange die Anteile über die Kirche wirklich in solchen Programmen sind. Und das waren vielleicht mal 5%, 7% oder höchstens 10%. Aber die Leute haben sich einmal ein Bild gemacht und das bleibt dann hängen. Wenn ich dann in einem Programm einmal was über den Papst sage, dann heißt es "schon wieder über die Kirche". Das ist eine Fixierung, die die Menschen einfach nicht mehr losbringen.

B K: Sind sie noch in der Kirche?

S Z: Nein, schon lange nicht mehr.

B K: Wußten sie, dass es in Rheinland Pfalz einen Ort namens "Zimmerschied" gibt?

S Z: Ja, freilich. Ich war auch schon zwei mal dort. Mein Großvater kommt tatsächlich aus dieser Region und daher kommt auch der Name.

B K: Eine Frage zum Schluß hätte ich noch. Gibt es denn eine bayerische Serie, die ihnen persönlich am besten gefällt?

S Z: (Überlegt) Hmm, also Kir Royal finde ich mit den Geschichten schon am besten. Das war schon sehr gut würde ich sagen. Da schalte ich auch immer wieder gerne ein wenn es läuft.

B K: Danke für ihre Zeit und viel Erfolg bei ihrem Auftritt!

S Z: Sehr gerne, ich danke auch.

 
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