Bayerische Kultserien:
Herr
Wittmann, „Rehragout Rendevouz“ ist die neunte Eberhofer-Verfilmung und
gleichzeitig feiert die Reihe 10jähriges Kinojubiläum. 2013 gab es den ersten
Film „Dampfnudelblues“. Die Drehs dazu, die jährlichen Premieren im Sommer,
Kinotouren dazu, wird das irgendwann einmal zur Routine?
Gerhard Wittmann:
Das wird es
nie. In dem Moment, wo etwas zur Routine wird, ist es nicht mehr das, was es
sein sollte. Genauso wie beim Theaterspielen, wenn man die 35. Vorstellung
spielt. Wenn die Grundspannung nicht da wäre, dann würde ich es glaube ich sein
lassen. Natürlich kennt man sich und weiß bestimmte Abläufe, aber zur Routine
darf es nicht werden.
B K:
Dieses
Gefühl hatten Sie dann bisher scheinbar noch nicht.
G W:
Nein, hatte
ich nicht. Man freut sich über das alljährlich wiederkehrende Treffen. Ich sage
immer, wir treffen uns in Niederbayern im Hotel, trinken ein Bier und Essen was
und am nächsten Tag machen wir zusammen eine Familienaufstellung. (lacht)
Klar ist es schön, dass bei uns das Kollegiale im Vordergrund steht und wir uns
mögen und sympathisch sind. Das ist nicht immer der Fall bei Drehs. Aber Routine
ist es keine.
B K:
Wie
kamen Sie zur Rolle vom Leopold und was mögen Sie daran?
G W:
Die Rolle
wurde von Franziska Aigner (Münchner Casting Direktorin) besetzt, die mir mal
beim Filmfest gesagt hat: (Frau Aigner kommt aus Ludwigsburg und Herr Wittmann
imitiert einen schwäbischen Dialekt) „I häd da was für Dich, da isch a Bruder in
a Dings…desch wär was für dich.“ (lacht) Ich habe dann das Buch bekommen,
gelesen und es hat mir gefallen. Damals war das als Fernsehfilm konzipiert. Da
dachte ich nach dem Dreh, das war’s jetzt und fertig. Das es dann ins Kino kam
und so ein großer Erfolg wurde, wusste man nicht. Die Rolle hat sich dann im
Laufe der Jahre auch einfach dazu entwickelt.
B K:
Sie
mögen ja den „Leopold“.
G W:
Ja klar.
B K:
Er ist
ja eigentlich immer so ein Gegenpart von Franz Eberhofer. Trotzdem hat er sich
zu einem Publikumsliebling entwickelt.
G W:
Man hat ja das
dramatisierte Buch vor sich und macht sich dann seine Gedanken. Was aus der
Rolle geworden ist, stammt aus der eigenen Fantasie und ist auch in der
Zusammenarbeit mit den Kollegen entstanden. Das ist ein Entwicklungsprozess, bei
dem man immer etwas von sich selber einbringt. So wie es ist bin ich sehr
zufrieden. Und die Zuschauer scheinbar auch.
B K:
Ist das
vielleicht auch eine große Stärke dieser Filmreihe, dass man diese Figuren neben
den bekannten Romanvorlagen auch noch mit entwickeln kann? In Verbindung mit der
tollen Besetzung der Nebencharaktere?
G W:
Mit
Sicherheit. Es ist ein Verständnis untereinander da und auch ein Vertrauen zum
Regisseur. Ein gutes Zusammenspiel von allen.
B K:
Wissen
Sie, ob Rita Falk mittlerweile auch Ihr Gesicht vor Augen hat, wenn sie in den
neuen Romanen über den „Leopold“ schreibt?
G W:
Das denke ich
schon. Wir haben uns öfter mal getroffen und bei Premieren gesehen, deswegen
glaube ich schon, dass sie mich gut kennt und beim Schreiben daran denkt.
B K:
Wie ist
die Gefahr einer bestimmten Schublade, in die man gesteckt werden könnte, wenn
man eine Rolle so oft spielt.
G W:
Ach wissen
Sie, ich mache so viele verschiedene Sachen. Das neue Jahr geht meistens los mit
meiner Rolle als „Dieter Reiter“ (Oberbürgermeister von München) beim
Nockherberg. Dann bin ich in zwei Fernsehreihen beim ZDF beschäftigt. Einmal als
ermittelnder Kriminaler (in der Reihe "München Laim") und bei "Der Kommissar und
der See". Ich habe auch dieses Jahr auf Sylt für "Nord Nord Mord" gedreht, wo
sie übrigens alle den "Eberhofer" kannten, was mich sehr verwundert hat. Ich
meinte da "Ihr versteht das doch gar nicht." und sie meinten: "Nein, kein Wort,
aber das ist Anarchie." (lacht)
B K:
Apropos
"Dialekt". Am Theater oder auch bei etlichen Fernsehrollen, spielen Sie ja auch
auf hochdeutsch. Gefällt es Ihnen auch im Dialekt spielen zu können?
G W: Absolut. Dialekt ist das
Bauchgefühl. Das ist das, wo ich herkomme. Emotionen, Gefühle und auch Sachen,
die nicht gesprochen werden, das ist alles Dialekt.
B K:
Würden
Sie sich als heimtaverbundenen Menschen bezeichnen?
G W: (überlegt) Wenn es um den
Humor mit Dialekt geht, dann ja. Ansonsten kann Heimat überall sein.
B K:
Sie
würden also auch woanders leben können.
G W: Ich war z.B. lange in Österreich
engagiert. Das wäre also schon möglich und vorstellen könnte ich mir das
jederzeit. Momentan ist es so wie es ist aber gut und allgemein ist es ja so,
dass es sich in Bayern ja nicht am schlechtesten lebt.
B K:
Ist es
richtig, dass Ihnen Toni Berger einmal geraten hat: "Lern erstmal an g'scheidn
Beruf!"
G W: Das ist richtig, ja. Ich war
damals 13 oder 14 Jahre alt, kam aus einem 1300 Seelendorf und habe den Wunsch
geäußert Schauspieler zu werden. Das ist dort natürlich auf völliges
Unverständnis gestoßen. In einer Fernsehzeitschrift habe ich dann die
Autogramm-Adresse von ihm gefunden und ihm mit meinem Füller einen Brief
geschrieben, in dem ich ihm mitgeteilt habe, dass ich Schauspieler werden will.
Nach einem dreiviertel Jahr kam ein Brief zurück, in einer Schrift, die ich
nicht lesen konnte. Deshalb hab ich ihn mir von meinem Vater vorlesen lassen,
der dann gleich meinte: "Da schau her, der sagt's dir auch!". Da stand dann drin
"Lieber Gerhard, lerne zuerst einen Beruf, dann kann es nie schief gehen".
Daraufhin habe ich tatsächlich den Beruf des Groß- und Außenhandelskaufmann
ergriffen. (lacht) Viele Jahre später hat meine Frau zusammen mit dem
Toni Berger ein Theaterstück zusammen gespielt, wo ich ihn in der Garderobe
besucht und den Brief gezeigt habe. Wir haben dann ca. eine Stunde lang geredet
und ausgetauscht.
B K:
Da hatten
Sie den Brief noch?
G W: Den habe ich heute noch. Der steht
bei mir mit einem Bild von ihm auf dem Schreibtisch.
B K:
Ihre
Eltern waren damals wohl erstmal froh.
G W: Die haben sich gedacht, wenn ich
erstmal den Kaufmannsberuf lerne, legt sich das und ich höre auf zu spinnen.
(lacht)
B K:
Was ja
offensichtlich nicht so war...
G W: Nein, ich habe meine Ausbildung
beendet und hatte auch gute Möglichkeiten in dem Betrieb auszusteigen, aber mein
Wunsch war größer. Ich bin mit Sack und Pack nach München, habe an der
Schauspielschule vorgesprochen und mir damit mehr oder weniger meinen
Lebenstraum erfüllt.
B K:
Was
würden Sie denn jungen Leuten, die Schauspieler werden wollen, heute raten?
G W: (überlegt) Wenn man die
Leidenschaft hat, es werden zu wollen, dann sollte man dem einfach nachgehen.
Niemand, ich damals auch nicht, will hören wie schwer das ist. Natürlich haben
viele gesagt: "Weißt du was dich da erwartet!", klar. Ich bin aber unbedarft an
die Sache rangegangen. Da gab es noch kein Googel etc. Ich habe gesammelt, was
ich über den Beruf finden konnte. In Zeitschriften, Zeitungen und so weiter. Da
gibt es jetzt viele Möglichkeiten, was es aber glaube ich auch schwerer macht.
Wenn aber jemanden die Leidenschaft dahin trägt, dann muss man ihr nachgehen.
Was kann schon schief gehen.
© ZDF/Michael Marhoffer |
B K:
Gibt
es neben Toni Berger noch andere Schauspieler, die Sie verehrt haben?
G W:
Natürlich. Einer ist leider kürzlich verstorben. Peter
Simonischek, mit dem ich sogar zwei Filme gedreht habe. Zusammen mit seinem
Sohn Max mache ich die "München Laim"-Reihe. (überlegt weiter) Karl
Obermayr. Ein Wahnsinns Schauspieler, der gestorben ist, als es eigentlich
für ihn so richtig losging. Es gibt aber viele Darsteller, wo ich immer
wieder feststelle, wie toll ihnen eine Rolle gelingt.
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B K:
Ihre
erste Fernsehrolle war mit dem Film "Alle haben geschwiegen" (Fernsehfilm nach
einem wahren Fall über die versuchte Vergewaltigung und Ermordung eine jungen
Frau) ja gleich ein richtig schwerer Stoff. Wie ist das in so eine Charaktere zu
schlüpfen?
G W: Ja, das war schon heftig. Ich bin
damals frisch und frei rangegangen und hab es einfach gemacht. Damit hatte ich
den Fuß in der Fernsehbranche. Aber meinen Kindern würde ich den Film heute noch
nicht zeigen. Er ist schon sehr bedrückend.
B K:
Ein
Filmreihe wie die Serie mit Kriminalkommissar Hattinger ("Hattinger und die
kalte Hand", "Hattinger und der Nebel"), bei der Sie auch im Ensemble waren,
erfreute sich ebenfalls großer Beliebtheit.
G W:
Es gibt immer noch Gespräche, ob es noch weitergeht. Aber
da spielen viele Komponenten eine Rolle.
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B K:
Ihre
längste durchgehende Rolle ist aber die des
„Leopold“ bei den Eberhofer-Filmen, oder?
G W: Und die des Oberbürgermeisters
beim Singspiel. (lacht)
B K:
Wissen
Sie wie Dieter Reiter Ihre Darstellung findet? Haben Sie mit ihm darüber
gesprochen?
G W: Ich denke er ist da ganz glücklich
und zufrieden. Und wenn nicht, dann würde er mich anlügen. (lacht) Der OB
Reiter ist ja ein sehr pragmatischer Mensch, der ohne große Attitüde seinen Job
macht. So sehe ich auch die Rolle. So wie heuer mal ab und zu aus dem Untergrund
zu kommen und einen Kommentar abzugeben, ist eine ganz dankbare Sache.
(grinst)
B K:
Ist es
schwer ihn zu spielen?
G W:
Ja, sehr.
Finde ich schon. Weil er wenig Eigenheiten hat, die man nachmachen kann. Das
läuft dann über viel Anschauen, beobachten und Energie. Er ist sehr in sich
gekehrt. Hätte er einen Sprachfehler wäre es einfacher. (lacht)
B K:
Sein
Vorgänger war wahrscheinlich einfacher zu kopieren.
G W:
Ja, der hatte
mehr Sendungsbewusstsein. (grinst)
B K:
Herr
Wittmann, ich muss jetzt einfach nachfragen, weil ich es irgendwo gelesen habe.
Stimmt es, dass Ihr fußballerisches Herz für den HSV schlägt? Warum Hamburg?
G W: (holt tief Luft) Ansonsten
bin ich für das Angenehme im Leben. Ja das ist richtig. Das ist was furchtbares.
Es ist schlimm. Ich bin oft mit dem Jimmy Hartwig im Austausch und es macht mich
fertig. Mitte der 1970er Jahre habe ich zusammen mit meinem Vater ein
Europapokal der Pokalsieger Spiel gesehen. Da hat der HSV im Halbfinale bei
Atletico Madrid 1:3 verloren, haben aber sehr gut gespielt. 14 Tage später war
dann das Rückspiel, welches sie 3:0 gewonnen haben. Dann hab ich mir das
Endspiel angeschaut. 2:0 Sieg gegen den RSC Anderlecht. Tore: Magath und
Volkert. Seitdem hängt mein Herz am HSV und ist da geblieben. Aber sie machen es
mir sehr schwer.
B K:
Gibt es
für Sie eine bayerische Serie, die Sie gerne immer wieder anschauen?
G W: Ach, wer liebt nicht "Münchner
Geschichten", wo man alles daraus zitieren kann. Oder "Monaco Franze", mit dem
vorhin erwähnten Karl Obermayr als Manni Kopfeck. Es kommt aber auch immer
wieder etwas nach, was mir auch gut gefällt.
B K:
Herr
Wittmann, vielen Dank für die Zeit.
G W: Gerne.
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