Bayerische
Kultserien:
Frau Potthoff,
wären Sie lieber Bürgermeister von München oder lieber Bürgermeister von Berlin?
Lisa Maria Potthoff:
Ui… (lacht
und überlegt) Ich glaube von München. Berlin hat so viele Baustellen im
realen und im übertragenen Sinne, dass ich nicht weiß, ob ich mir das zutrauen
würde. Das wäre Entwicklungsarbeit, die mich wahrscheinlich an meine Grenzen
bringt. Bei München habe ich eher das Gefühl einer guten Substanz. Da kann man
sich doch nach dem Wiesnanstich eine gute Bürgermeisterzeit machen und ein
bisschen hier und da repräsentieren. Natürlich tue ich dem Oberbürgermeister
total unrecht, in dem ich das so sage. Aber ich hau das jetzt einfach mal so
raus. (lacht)
B K:
Oder
dann doch lieber in der Provinz…
L M P:
Oh ja, in
einem kleinen süßen Dorf.
B K:
Sie
sind ja in Berlin geboren, in München aufgewachsen und dann wieder nach Berlin
gezogen. Damit kennen Sie hauptsächlich die Großstädte unseres Landes. Trotzdem
haben Sie mal gesagt, Sie lieben die Provinz. Warum?
L M P:
Weil in der
Provinz meistens auch sehr viel Natur ist. Ich mag es schon sehr gerne auf’s
Land raus zu gehen. Gerade das bayerische Oberland und das Chiemgau. Das ist in
Bayern schon etwas, wo bei mir ein irrsinniges Heimatgefühl aufkommt und Provinz
für mich einfach etwas Positives bedeutet. Klar bin ich mit Anfang 20 nach
Berlin gegangen, weil ich dachte, da tobt das Leben und man ist am Puls der
Zeit. Aber ich stelle auch ganz oft fest, dass mir der Puls der Zeit oder das,
was hipp und angesagt ist, ziemlich wurscht ist. Lieber BIN ich einfach. Das
noch im Einklang mit der Natur, das ist schon das tolle an der Provinz.
B K:
Glauben
Sie die Susi Gmeinwieser wäre eine gute Bürgermeisterin, wenn man sie länger in
dem Amt lassen würde?
L M P:
Auf jeden
Fall! Doch! Sie würde sicher auch mit ein paar Dingen scheitern, aber wer tut
das nicht? Ich glaube schon, dass sie mit Engagement dabei wäre und absolut
etwas aus ihrem Amt machen wollen würde. Ich könnte mir vorstellen, dass sie als
Chefin auch nicht einfach ist und gerne ausgeführt haben will, was sie denkt.
Das finde ich aber total legitim. Doch, sie wäre eine gute Bürgermeisterin.
B K:
Würde sie sich in ihrer Art ändern?
L M P:
Das habe
ich ja ein bisschen angedeutet, dass es ihr vielleicht ein wenig zu Kopf
steigt. (überlegt) Vielleicht tue ich ihr aber da auch unrecht. Sie
ist eigentlich schon sehr geerdet. Als Simon Schwarz (alias Rudi
Birkenberger) mal auf unsere Filmreihe angesprochen wurde, hat er mal
gesagt: „Wir haben schon zu viele Demütigungen in unserem Leben erlebt, als
das wir jetzt abheben würden.“ Ich will damit gar nicht sagen, dass ich oder
die Susi im Film schon so viele Demütigungen hinnehmen mussten, aber das
Leben zeigt, dass Erfolg etwas Vergängliches und Flüchtiges ist. Und eben
nicht alles im Leben. Und so klug ist die Susi dann schon.
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B K:
Aber
ihr Kleidungsstil würde sich weiter ändern.
L M P:
Ja, man sieht
sie ja in diesem Film mit Business-Anzug und einem anderen Kostüm. Ich musste
mich ein bisschen daran gewöhnen. (lacht) Es macht auch eine andere Frau
aus ihr und sie würde sich auch da wohl etwas weiterentwickeln.
B K:
Haben
Sie Mitspracherecht beim Outfit für die Susi?
L M P:
Ja, auf jeden
Fall. Ich bekomme nichts angezogen, bei dem ich mich unwohl fühlen würde. Das
ist aber bei keinem Film so, weil ein kluger Regisseur oder Regisseurin nichts
davon hat, eine Schauspielerin in etwas zu zwingen, in dem sie sich nicht wohl
fühlt. Es sei denn, es ist ein genialer Schachzug für eine bestimmte Szene. Gab
es aber bei mir noch nicht. Es bringt nichts, wenn ich einen wahnsinnig engen
Rock anhabe, dann aber beim Schauspielen verkrampfen würde.
B K:
Wobei
Susi ja teilweise wirklich gewagte Outfits trägt…
L M P:
Genau. Ich
habe anfangs immer gesagt, dass ich sie so sehe. Es gab anfangs mal die
Überlegung sie in manchen Punkten etwas vorteilhafter darzustellen. Allerdings
habe ich mich dann gefragt, wo eine Susi einkaufen geht oder was ihr Vorbild
ist. Eine Frau wie die Susi geht zum Shoppen nach Dingolfing oder Landshut in
die Innenstadt, in Läden wie Pimkie oder
Orsay.
Natürlich ist das eine Form von Sexyness, die nicht meine ist. Vielleicht sollte
sie die Jeans nicht so eng tragen und der pinkfarbene String muss auch nicht
rausschauen, aber Susi denkt sich halt: „Mei, ich hab doch einen guten Hintern,
den kann ich doch zeigen!“ Und damit hat sie ja auch recht. So sind wir das
Konzept angegangen. Sie hat auch viel mehr Mut zu Farbe und Mustern als ich. Ich
werde in meinem Leben kein Muster oder Farbkombinationen tragen. Ich hasse es.
(lacht) Aber Susi findet es eben super.
B K:
Das ist
ja auch ihr Selbstbewusstsein. Helfen Ihnen die Outfits auch um in diese Rolle
zu schlüpfen?
L M P:
Absolut! Es
ist aber generell so, dass ich mir viele Figuren tatsächlich über die Schuhe
„erspiele“, weil ich finde der Stand eines Menschen macht mit dem ganzen Köper
etwas. Ich habe z.B. bei dem Film „Schwere Jungs“, witzigerweise auch mit
Sebastian und Simon, eine Frau gespielt, die immer auf Stilettos gelaufen ist.
Das war ein 50er Jahre Film von Marcus H. Rosenmüller. Da hatte ich in jeder
Szene, auch bei den Großaufnahmen, diese Schuhe an. Einfach weil das eine andere
Körperlichkeit ist.
"Schwere Jungs"
2006
B K:
Eine
typische Frage wäre auch: Wie viel von Susi Gmeinwieser steckt in Lisa Maria
Potthoff…
L M P:
Oh, damit
könnten Sie Sebastian Bezzel sehr sauer machen. (lacht) Diese Frage
hassen wir Schauspieler.
B K:
Ich
weiß. Deswegen auch „wäre“! Denn bei aller Sympathie für Susi Gmeinwieser,
glaube ich jetzt mal nicht an so viele Gemeinsamkeiten…
L M P:
Da täuscht man
sich. Nehmen wir mal die Charaktereigenschaften, für die sie steht: Sie hat eine
gewisse Stärke, es haut sie so schnell nichts um und ich glaube sie ist eine
Löwenmama, die ihr Kind und sogar den Franz immer verteidigen wird. Egal wie
bescheuert er manchmal ist. Aber wenn jemand ihnen was Böses will, steht sie
hinter ihrer Familie wie eine Eins. Sie ist mutig und auf eine gewisse Art
blitzgescheit, auch wenn sie nicht wahnsinnig gebildet sein mag. Da haben wir
doch eigentlich schon ganz schön viel, was diese Frau super macht. Man kann sie
nicht nur auf ihre liebevolle Zickigkeit reduzieren. Das allein wird ihr nicht
gerecht.
B K:
Und so
gab es jetzt auf diese „blöde Frage“ doch irgendwie eine Antwort…
L M P:
(lacht)
Ja, stimmt.
B K:
Wenn
die Rita Falk in ihren Romanen über diese Figuren schreibt, dann hat sie ja
mittlerweile immer Sie und das Ensemble im Kopf oder?
L M P:
Ich meine,
dass sie das mal gesagt hat, ja.
B K:
Als vor
10 Jahren der erste Film „Dampfnudelblues“, der ja ursprünglich nur für das
Fernsehen konzipiert war, in die Kinos kam, hätten Sie sich da vorstellen
können, dass diese Reihe bis heute so große Erfolge feiern würde?
L M P:
Nein. Null
Komma Null. Es gab auch gar keinen Anlass damals darüber nachzudenken. Ich bekam
die Einladung zu einem Casting für einen kleinen bayerischen Fernsehfilm. Zu
einer kleinen Rolle mit drei Drehtagen. Eine Rolle namens „Susi“, die ich
irgendwie ganz süß fand. Dass sich das daraus entwickelt, hätte ich nie
geglaubt. Ich weiß auch nicht, ob die Susi jetzt die Rolle meines Lebens wird,
aber es ist zumindest eine Figur, die man wahrscheinlich immer mit mir verbinden
wird. Darauf reduzieren lassen würde ich mich jetzt, aber sie ist auf jeden Fall
biografisch stark mit mir verwoben. Abzusehen war das alles auf jeden Fall
nicht.
B K:
Nicht
mal, dass man damals gedacht hat: „Das könnte was großes werden“?
L M P:
Gar nicht. Es
war sogar so, dass ich das Drehbuch gelesen und alles rückblickend auch total
unterschätzt habe. Ich fand das zwar nett, raffiniert und auch skurril, aber
dass Ed (Herzog, der Regisseur) das so schwarzhumorig und teilweise abstrus
inszenieren würde, war mir nicht klar. Ab und zu dachte ich mir, der hat sie
nicht alle. (lacht) Ich weiß nicht mehr genau wann, aber es war auf jeden
Fall einer der ersten Drehtage von „Dampfnudelblues“, wo Susi im Rathaus vorm
Computer sitzt und eine Reise gewinnt. Im Drehbuch stand, dass sie sich zusammen
mit ihrer Freundin freuen soll. (grinst) Und dann kommt dieser Regisseur,
mit dem ich heute ja gut befreundet bin und meint: „Geh doch mal auf allen Viere
und mache eine Polonaise auf den Knien“. (lacht) Ich darauf: „Ist das
jetzt dein Ernst?“ – „Ja, mach mal!“. Wir haben das dann gemacht und ich dachte
nur „Wo bin ich hier gelandet? Das ist geisteskrank.“ (lacht) Dass die
Zuschauer das aber so wertschätzen, was von so positiv verrückten Leuten wie
Rita Falk und Ed Herzog kommt, dass sie das erkennen und eine so gute Zeit mit
den Filmen haben, hätte ich nie gedacht.
B K:
Ist so eine Rolle dann vielleicht auch nicht nur Segen, sondern auch mal ein
Fluch, weil die Gefahr besteht, dass man in eine bestimmte Schublade gesteckt
wird?
L M P:
In meinem Fall
kann ich tatsächlich sagen, dass das definitiv kein Fluch ist. Ich weiß, was Sie
meinen, und ich kann es mir vorstellen, aber für mich persönlich kann ich das
nicht behaupten. Ich spiele u.a. die wortkarge Ermittlerin Sarah Kohr, werde
jetzt im Herbst einen Film machen, wo ich eine Frau spiele, die keine Kinder
kriegen kann und eine emotional ziemlich dramatische Geschichte entsteht.
Letztes Jahr durfte ich in Budapest bei einer internationalen Produktion auf
Englisch spielen. Ich bin nicht festgelegt auf die Susi. Es sprechen mich
natürlich viele Leute darauf an, aber so positiv, dass es wirklich vermessen
wäre zu sagen, das wäre ein „Fluch“. Dann müsste ich mich als Schauspielerin ja
wirklich fragen, was ich eigentlich will.
B K:
Sie haben
tatsächlich viele andere Rollen, andere vielleicht nicht…
L M P:
Absolut,
deswegen kann ich das schon verstehen, dass es für manche ein Fluch sein
kann festgelegt zu sein. Gerade zu Beginn meiner Karriere gab es
unterschiedliche Ansichten, wo man mich verortet. Manche haben mich als
Komödiantin gesehen und manche überhaupt nicht. Das hat mir vielleicht auch
geholfen nicht festgelegt zu werden. Für mich sehr gut, weil ich so immer
breit angelegt spielen konnte und es das ist, was ich an dem Beruf so toll
finde. Ich würde nicht gern NUR die Susi spielen, aber es ist ein absoluter
Segen im Spannungsfeld zu allem anderen, dass ich das tun darf.
B K:
Vielseitigkeit ist Ihnen wichtig.
L M P:
Das finde
ich das Schönste an diesem Beruf. Dass kein Tag wie der andere ist und der
Alltag nie Alltag ist, auch wenn das eine große Herausforderung ist. Man
muss dabei auch auf sich acht geben, aber wenn man das kann und mental
gesund ist, dann ist das ein Beruf, der weit mehr bringt, als nur Geld
verdienen.
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"Sarah Kohr" |
B K:
Wow,
das finde ich eigentlich einen sehr schönen Abschluss. Trotzdem stelle ich wie
immer die letzte Frage nach Ihren persönlichen bayerischen Lieblingsserien.
L M P:
(überlegt)
„Kir Royal“, „Monaco Franze“… (überlegt weiter) und den „Pumuckl“! Aber
„Kir Royal“ habe ich wirklich geliebt.
B K:
Mit
„Bier Royal“ habe Sie ja zumindest einen ähnlichen Titel in Ihrer Vita.
L M P:
Was man aber
gar nicht vergleichen darf. An „Kir Royal“ kommt man nicht ran!
"Bier Royal" 2018
B K:
Vielen
Dank für das nette Gespräch.
L M P:
Ich danke
Ihnen sehr.
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