Bayerische
Kultserien:
In diesem
Jahr feiert "Gernstl Unterwegs" 30jähriges Jubiläum. Eigentlich war der
Titel dieser Sendereihe ja mal ein anderer...
Franz X.
Gernstl:
Die
Reihe hieß ursprünglich „10 Grad östlicher Länge - Schnurstracks durch die
Republik“. Wir reisten damals vom Allgäu bis zur Ostsee. Aus dem Material wurden
neun 70minüter für die ARD. Die gleiche Reise machen wir dieses Jahr noch
einmal, vom Allgäu aus Richtung Norden, am zehnten Längengrad entlang. Wir
wollen schauen, ob wir noch ein paar von den Menschen finden, die wir damals
getroffen haben
B K:
Das hört
sich interessant an! Da kann man gespannt sein wie viel sich verändert hat...
FXG:
Damals
war Arbeitslosigkeit ein wichtiges Thema. Es hat einige Menschen beschäftigt,
mit denen wir gesprochen haben. Gastarbeiter sollten zur Rückkehr in ihre Heimat
bewegt werden. Das Thema Ausländerfeindlichkeit ist in Mode gekommen, auch in
den Medien. Es ging damit los, dass die Deutschen Angst hatten, Türken würden
ihnen ihre Arbeit wegnehmen. Außerdem fingen die Leute an, wieder auf die Straße
zu gehen. Sie demonstrierten gegen die Stationierung der Pershing-Raketen.
Friedensbewegungen haben sich formiert. Und der Zauberwürfel kam in die
Geschäfte (grinst). Thematisch liegt vieles gar nicht so weit
auseinander, damals und heute.
Eine der ersten Geschichten, die wir gedreht haben, war eine Dame, die den
Auftrag von der Post hatte, das Telefonhäuschen zu putzen, das vor ihrer Haustür
stand. Man könnte jetzt meinen, das wäre mittlerweile nicht mehr gelb, sondern
magenta. Aber tatsächlich ist es ganz weg und ein Dixi-Klo steht an dieser
Stelle (lacht). Die Dame haben wir leider nicht mehr ausfindig gemacht.
B K:
Das muss
dann ja auch für Sie eine wirklich spannende Reise werden oder?
FXG:
Ich
hoffe. Leider ist es nur so, dass schon damals viele Protagonisten nicht mehr
die Jüngsten waren. 30 Jahre später werden wir nicht mehr alle antreffen.
B K:
Ist es das erste Mal,
dass Sie noch einmal an die alten Orte reisen?
FXG:
Dass
ich Protagonisten zweimal besuche, kam bisher selten vor. Kürzlich kamen wir
z.B. ein zweites Mal nach Lindau zum Drehen. Da schauten wir, ob es den
esoterischen Teppichhändler noch gibt, der damals die schönen großen
Kieselsteine gesammelt hat. Dann kommt man da 10 Jahre später wieder hin und
er erzählt genau die gleiche Geschichte, die er damals schon erzählt hat
(lacht). Die Sammlung an Lebensweisheiten nimmt also nicht unbedingt
rapide zu.
B K:
Was hat sich in
dieser Zeit bei Ihrer Arbeit verändert?
FXG:
Es ist natürlich deutlich
bequemer geworden, weil die Gerätschaften jetzt leichter und handlicher
sind. 1983 haben wir noch mit U-matic-Rekordern aufgenommen, auf
Videokassetten, die viermal so groß waren wie VHS-Kassetten. Der Rekorder
war natürlich entsprechend groß und durch ein dickes Kabel mit der Kamera
verbunden . Auch die Bildqualität ist deutlich besser geworden, und
die Kameras sind lichtempfindlicher. Wenn ich mir heute alte Aufnahmen
anschaue, dann sind die zum Teil ganz schön miserabel.
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B K:
Und wie haben sich die
Menschen verändert?
FXG:
(überlegt)
Schwierig wird es beim Drehen, wenn jemand schon viele unserer Sendungen
gesehen hat, eine Art „Fan“ ist, und dann vor der Kamera versucht so zu sein
wie z.B. der urige Schreiner, den er in einer Folge gesehen hat. Das haut
natürlich nicht hin, wenn jemand versucht etwas darzustellen, was er
eigentlich nicht ist.
B K:
Es gibt
doch bestimmt viele Leute, die sich vor der Kamera extrem verstellen?
FXG:
Nein,
eigentlich nicht. Das liegt auch an unserer Arbeitsweise. Früher haben wir
Kandidaten manchmal vorab besucht und gesagt: Wir kommen in den nächsten Tagen
mit der Kamera vorbei. Dann werden die Leute nervös, schlafen schlecht, weil sie
sich überlegen, was sie Tolles erzählen könnten, die Wohnung wird aufgeräumt,
die Mutti war beim Friseur und nichts ist so, wie man es beim ersten Besuch
erlebt hat. Das funktioniert viel besser, wenn wir uns nicht anmelden und in die
Geschichten reinschleichen. Wenn ich z.B. erfahre, dass es da einen ganz
speziellen Metzger im Ort gibt, dann stellen wir uns vor den Laden und filmen
erst mal die Landschaft. Irgendwann kommt er dann schon raus und fängt ein
Gespräch mit uns an. Dann schwenken wir mit der Kamera um. So kommen die Leute
gar nicht erst auf die Idee sich zu überlegen was sie darstellen sollen.
Ein Vorteil ist auch, dass ich selber vor der Kamera stehe, was nichts damit zu
hat, dass mich die Eitelkeit in diese Position gebracht hat (lacht). Wenn
man mit jemandem spricht und hält ihm die Kamera vor sein Gesicht, dann kommt er
eher in eine stressige Situation. So bin ich der direkte Ansprechpartner und die
Kamera ist zufällig mit dabei.
B K:
Es gibt
dann auch keine Menschen, die eingeschüchtert sind und gar nicht mehr reden
können?
FXG:
Das habe
ich dann schon im Griff (grinst). Ich mache einen kleinen Spaß und
versuche, die Situation zu entspannen. Es ist ja auch so, dass ich keine
komplizierten Fragen stelle, sondern ganz normal mit den Leuten rede.
B K:
Wie oft
muss denn etwas raus geschnitten werden, weil es nicht sendefähig
ist?
FXG:
Es
passiert gerne mal, dass sich jemand verausgabt, sehr über den Nachbarn oder
über den Vorgesetzten oder auch seinen Lebenspartner schimpft, weil sich da über
die Jahre was angestaut hat. Wenn es da zu Aussagen kommt, die zu deutlich sind,
dann schneiden wir das natürlich raus. Es ist nie unsere Absicht jemand zu
demontieren oder blöd dastehen zu lassen, wir wollen aus den Protagonisten eher
Helden machen.
B K:
Hat Ihnen
schon mal jemand die Tür nicht aufgemacht?
FXG:
Das
passiert ganz selten. Wobei wir in der Regel auch nicht vor der Tür stehen und
sagen: Wir wollen rein! Ich bin schließlich kein Handelsvertreter. Die
Begrüßungsszenen sind schon so, wie man es im Film sieht. Wenn der Kameramann
mal stolpert oder ein Schwenk nicht geklappt hat, dann könnte man ja auf den
Gedanken kommen, es noch mal kurz zu wiederholen. Aber lieber nehme ich einen
ruppigen Schnitt in Kauf, bevor eine unnatürliche Situation entsteht und ich
irgendein Bauerntheater als Begrüßung habe.
B K:
War denn
schon mal eine Person richtig verärgert?
FXG:
Erstaunlich selten.
Kürzlich kam es mal zu einem Gerichtsprozess. Da haben wir in einem
tschechischen Spielkasino gedreht. Der Casinochef hat vorher die Spieler
informiert und die, die nicht wollten, gebeten, kurz nebenan in die Bar zu
gehen. Ein Mann konnte sich jedoch nicht vom Spieltisch losreißen und war noch
für zwei Sekunden mit seinen Jetons im Bild. Das hat Mutter hat später im
Fernsehen gesehen und war sauer, weil der Sohn sein Geld verspielt. Die Klage
ist auf einen Vergleich hinausgelaufen, die Kosten mussten beide Seiten tragen.
Es gibt aber sonst kaum jemanden, der im Nachhinein verärgert ist. Wie gesagt:
Es ist auch nicht unsere Absicht jemanden schlecht darzustellen. Das sind
einvernehmliche Gespräche, und wir drehen natürlich nie gegen den Willen der
Leute.
B K:
Sie
sind ja immer mit dem gleichen Team auf Reisen. Gibt es da nicht auch mal so
eine Art „Lagerkoller“, wo man sich gegenseitig auf die Nerven geht oder es
Streit gibt?
FXG:
Natürlich (lacht).
Wenn der Kameramann mal wieder sein ‚Snickers‘ gegessen hat und das Papier am
Boden rumliegt oder leere Jägermeisterflaschen im Auto rumfliegen. Die Tonmänner
sind sowieso immer beleidigt, weil sie den Kameramännern hinterherlaufen müssen
(grinst). Oder der Kameramann ist sauer auf mich, weil er es im Kreuz
hat, ich aber noch zwei Stunden in der Stadt rumlaufen möchte. Solche
Diskussionen gibt es notgedrungen immer wieder. Die leben wir dann eben aus, bis
wieder alles friedlich ist. Und beim nächsten Mal geht es von vorne los. Aber
insgesamt sind wir schon ein eingefleischtes Team. Wie ein altes Ehepaar, nur zu
dritt (lacht).
B K:
Gab es
auch mal jemand anderen mit dem Sie gedreht haben?
FXG:
Ja, ich habe eine Zeit
lang mit einem anderen Kameramann gedreht, weil unserer krank war. Das ist schon
deutlich anders, weil wir im Team immer sehr einvernehmlich arbeiten und der
Kameramann z.B. sofort weiß, wann ein Gespräch interessant wird. Wenn man schon
viele Jahre miteinander gedreht hat, wird vieles einfacher. Technische Probleme
treten in den Hintergrund, keiner schlägt die Klappe oder sagt „Und bitte!“. Es
ist wichtig den Leuten eine gute Atmosphäre geben, damit sie ihre Geschichte
erzählen können.
B K:
Schauen
Sie sich selber auch gerne die alten Folgen an?
FXG:
Wenn die Filme älter als
15 Jahre sind, dann ist das modisch oft ziemlich grausam (lacht). Oder
man merkt, wie sehr wir damals noch darauf erpicht waren, eine Szene möglichst
ohne Schnitt stehen zu lassen. Das haben wir als das Größte empfunden, eine
3minütige Szene ohne Schnitt zu senden. Ein cineastisches Highlight. Heute sieht
das etwas langatmig aus.
|
B K:
Trotzdem waren Sie damit erfolgreich…
FXG:
Ja das
stimmt. (grinst)
B K:
In
einigen Folgen sieht man ja durchaus auch prophetische Aussagen von
bestimmten Menschen. Ich erinnere mich auch an den Mann, den man auch in
Ihrem Film sieht und der die deutsche Wiedervereinigung vorhergesagt hat.
Staunen Sie da selber manchmal?
FXG:
Ja, damals dachte man,
das wäre ein Spinner. Er hat auch geahnt, dass sich Europa vereinigen würde.
Aber so ist das wohl mit Prognosen: manche stimmen halt (lacht).
B K:
Das
wiederum erinnert mich an die Folge, als zur Einführung des Euro jemand ein
großes Feuer gemacht hat und die dadurch erscheinende Form der Euromünze
umgekippt ist. Irgendwie auch bezeichnend im Nachhinein.
FXG:
(lacht)
Stimmt, das war die Reise an der B2 entlang.
B K:
Was
mich auch immer schon interessiert hat, war die Geschichte mit dem
Wünschelruten-Gänger. Als er diese bei Ihnen und dem Team angewendet hat, was
hat denn davon nun wirklich gestimmt?
FXG:
(lacht)
Also das mit der Schilddrüse war bei mir tatsächlich richtig, weil ich eine
Unterfunktion habe. Aber da ist die Trefferquote wahrscheinlich auch recht
hoch, weil das viele Menschen haben. Bei meinen beiden Kameraden habe ich
nichts davon gehört, dass sich die durchaus bedenklichen Diagnosen (es ging
um Impotenz, Herzfehler und Verwirrung) bewahrheitet hätten. Ich halte auch
nichts von Wünschelruten. Erstaunlich war aber wirklich, dass ich sie in die
Hand genommen habe und sie sich nach unten bewegt hat. |
B K:
Wie ist
das Verhältnis vom Drehmaterial zum Gesendeten?
FXG:
Über
die Hälfte der gedrehten Geschichten wird auch gesendet. Das liegt vor allem
daran, dass wir mittlerweile ein ganz gutes Gespür dafür entwickelt haben, ob
jemand wirklich interessant ist oder eher ein Dampfplauderer(lacht). Es
müssen schon Menschen sein, die authentische Geschichten zu erzählen haben.
Meistens sind das Leute, die etwas mit Leidenschaft betreiben. Aber oft weiß man
ja auch beim Drehen noch nicht, was daraus wird. Das stellt sich dann erst am
Schneidetisch heraus. Wichtig ist, dass man einen geduldigen Kameramann hat, der
auch mal zwei Stunden am Stück die zwölf Kilo schwere Kamera auf den Schultern
aushält. Da gibt es gerade bei den Jüngeren viele, die jammern. Das ist das Gute
bei meinem alten Freund Hans Peter Fischer, der bei einer tollen Geschichte voll
dabei ist und unermüdlich draufhält.
B K:
Ist der
Job an der Kamera dann der Härteste?
FXG:
Es ist ein harter Job,
aber auch Tonmänner tragen viel Gewicht mit sich herum. Es ist sehr ungesund
eine Mikrofon-Angel permanent in dieser Haltung zu halten (streckt beide Arme
nach oben). Auch mein Tonmann hat Probleme mit dem Rücken und an den
Schultern. Er sagt immer, ich ruiniere seine Gesundheit (grinst).
B K:
Da Sie
ja mittlerweile schon sehr bekannt sind, ist es doch bestimmt schwieriger
geworden mit jemandem ein Gespräch zu führen?
FXG:
Das kommt darauf an. Es
ist dann schwieriger, wenn die Leute versuchen jemanden darzustellen – also
jemand zu sein, der sie nicht sind. Auf der anderen Seite kommen wir heute
schneller in Hintertupfing oder irgendwo in Niederbayern in die Wohnzimmer rein,
weil die Menschen uns kennen und keine Scheu haben. Dann ist es schon eine Art
Türöffner.
Wir waren aber auch schon mal in der Eifel, in einem gottverlassenen Dorf. Da
gingen gleich überall die Fensterläden zu, als wir mit der Kamera
durchmarschiert sind (lacht).
B K:
Der
Regisseur Joseph Vilsmaier hat bei der Premiere seines Film „Bavaria –
Traumreise durch Bayern“ mal gesagt, er kenne Bayern von oben nach den vielen
Hubschrauberflügen wohl am Besten von allen. Würden Sie von sich sagen, dass Sie
die Menschen von Bayern am besten kennen?
FXG:
(überlegt)
Nein. Das würde ja schon mal eine Lust am Einordnen und Beurteilen voraussetzten
und die habe ich überhaupt nicht. Ich habe mal leichtfertig in der Redaktion
vorgeschlagen, sieben Filme über sieben Regierungsbezirke zu drehen. Am nächsten
Tag hatte ich darauf eigentlich schon gar keine Lust mehr, bin aber aus der
Geschichte nicht mehr rausgekommen und musste sie drehen. Ich sollte die
Eigenheiten der Franken, der Schwaben, der Oberpfälzer und so weiter
herausarbeiten. Vorurteile sind ja auch ganz lustig. Da mag in der Gesamtheit
vielleicht etwas dran sein, dass die Oberfranken gröber sind als die
Unterfranken, weil die einen Wein trinken und die anderen Bier. Oder dass die
Oberpfälzer bescheidener sind, als die Oberbayern, weil die immer schon die
größeren Höfe und mehr Geld gehabt haben. Da gibt es bestimmt gewisse
Charakterzüge, aber ich würde nicht von mir behaupten, dass ich die alle kenne.
Dann bräuchte ich ja nicht mehr rumfahren (grinst).
B K:
Es
bewahrheitet sich also auch nicht jedes Vorurteil?
FXG:
Am schönsten ist es, wenn
man mit einem Klischee irgendwo hinfährt und dann ist das gar nicht so. Wenn es
sich als echtes Vorurteil herausstellt. Das ist das Schöne beim Reisen, dass man
„enttäuscht“ wird und nicht das Erwartete serviert kriegt.
B K:
Sind
Sie persönlich immer noch genauso neugierig wie vor 30 Jahren?
FXG:
Sagen
wir so, wenn es mich nicht mehr interessiert, dann habe ich auch keine Lust mehr
zu drehen. Ich würde aber nicht von mir behaupten, dass ich ein wahnsinnig
neugieriger Mensch bin. Wir sind immer schon gerne rumgefahren und wenn uns
jemand untergekommen ist, dann haben wir mit dem geredet. Wir haben das früher
ohne Kamera gemacht und jetzt eben mit. Darauf habe ich auf jeden Fall noch
Lust.
B K:
Wie oft
kommt es vor und wie motivieren Sie sich dann, wenn es wirklich mal gar nichts
gibt, über das man senden könnte?
FXG:
Das ist
ganz normal. Die ersten drei, vier Tage passiert es mit schöner Regelmäßigkeit,
dass man fast gar nichts dreht. Oder man dreht irgendwas, schaut sich das am
Abend an und denkt: ‚Was für ein Mist!’ Früher haben wir uns wirklich manchmal
gedacht: ‚Was für eine Schnapsidee, so kann man doch keinen Film drehen!’
Mittlerweile ist es so, dass man die Gewissheit hat, dass es irgendwann schon
funktionieren wird. Aber man braucht eine hohe Frustrationsschwelle und muss
damit leben können, dass man an zwei, drei Abenden da sitzt und denkt: ‚Das war
jetzt direkt für die Katz, was wir da gemacht haben!’ Dann trinkt man
halt ein oder zwei Bier, legt sich ins Bett und fängt am nächsten Morgen wieder
an.
Die größte Freude ist es natürlich, wenn man eine Geschichte gedreht hat, von
der man dachte: ‚Das war jetzt nix!’ Und hinterher schaut man sich das Material
an und es ist etwas ganz Besonderes geworden.
B K:
Das ist
dann wahrscheinlich ein richtiges Glückserlebnis?
FXG:
Das ist eines der
schönsten Dinge, die man beim Drehen erlebt. Die erste gute Geschichte.
B K:
Haben Sie
schon mal ans Aufhören gedacht?
FXG:
Nein. Auch wenn ich
mittlerweile 61 bin und in vier Jahren im Pensionsalter wäre, aufhören ist nicht
mein Plan. Ich werde mich natürlich nicht beim Sender aufdrängen. Wenn man mich
nicht mehr haben will, dann mache ich etwas anderes. Aber nachdem die Sender
wohl ganz glücklich damit sind, machen wir das noch ein paar Jahre. Wir haben
gesagt, wir drehen solange, bis einer von uns im Rollstuhl sitzt und wir den
rumkutschieren müssen (grinst). Und wenn der zweite im Rollstuhl sitzt,
dann machen wir zusammen eine schlechtgehende Strandbar auf - damit wir nicht so
viel Arbeit haben.
B K:
Welche
Projekte möchten Sie denn noch gerne realisieren?
FXG:
Im Moment eben die
Revival-Tour „10 Grad östlicher Länge“. Und dann habe ich in diesem Jahr noch
vor einen Dreiteiler mit dem Titel „Gernstls kulinarische Ermittlungen“ zu
drehen. Was das genau wird, weiß ich noch nicht (lacht). Aber wir haben
schon drei Drehorte festgelegt: das Elsass, Südschweden und Böhmen. Eigentlich
geht es um gute und wertvolle Lebensmittel. Die beiden Redakteure, die die Reihe
betreuen, haben ein Faible für gute Lebensmittel, so sind wir auf diese Idee
gekommen. Jetzt gibt es einen Titel und ich weiß noch nicht genau, wie wir es
anstellen.
B K:
Gehen Sie
dann zu den Redakteuren oder kommen die zu Ihnen?
FXG:
Das
ist mal so, mal so. Manches entwickelt sich im Gespräch und dann sagt irgendwer:
Oh ja, das machen wir! Oder ich schlage vor: Wie wär‘s wenn wir durch die Alpen
fahren? Dann gehe ich mit meinem Atlas zur Redaktion, wir schauen gemeinsam rein
und ich sage: Gut, da fahren wir lang! (lacht)
B K:
Ideen und
Ziele gibt es da wohl genug?
FXG:
Eigentlich
gibt es da einige, ja. Wobei wir Bayern wahrscheinlich genug abgegrast haben.
Neben den sieben Regierungsbezirken waren wir ja z.B. auch in einzelnen Städten.
Da sind viele Geschichten schon ausgelutscht. Es sind dann doch nicht so viele
Leute, die aus der Reihe tanzen.
B K:
Da fällt
mir gerade die Resi Obereisenbuchner aus Velden ein, die wir bei einer
"Irgendwie und Sowieso-Tour" (http://www.bayerische-kultserien.de/Drehorte/IrgendwieundSowieso.htm)
kennen gelernt haben. Eine Kramerladen-Besitzerin, die auch ganz stolz war, dass
Sie der Gernstl schon mal besucht hat...
FXG:
(lacht) Wo war das? In Velden? Ah... ich glaube ich kann mich erinnern.
B K:
Haben Sie
vor 30 Jahren gedacht, dass "Gernstl Unterwegs" heute noch so erfolgreich sein
könnte?
FXG:
Nein. Das war damals ja ein
langes hin und her, bis wir den Auftrag bzw. die Erlaubnis hatten, einfach
herumzufahren und zu drehen. Irgendwann hieß es: ‚Na gut, jetzt macht's halt
mal!’ Der Sender dachte, dass es nach dem dritten Bauernhof oder der zweiten
Tankstelle, die man gezeigt hat, langweilig wird. Aber darum ging es am Ende ja
gar nicht, sondern um die Geschichten der Menschen dazu. Und das ist scheinbar
immer noch interessant. Damit habe ich damals nicht gerechnet.
B K:
Ich habe
mal gehört, dass Sie mit dem Titel Ihres Films "Gernstl's Reisen - Auf der Suche
nach dem Glück" gar nicht mehr so zufrieden sind...
FXG:
Ja, das habe ich aber erst
gemerkt, als wir den Filmtitel gesetzt schon hatten. Mir ist dann in Bücherläden
aufgefallen, dass es diesen Wahn mit der Glückssuche gibt und das finde ich
Blödsinn. Das Glück im Leben findet man, indem man sich mit dem anfreundet, was
da ist. Ein Bauer in Tirol hat mir genau diesen Spruch mitgegeben: Nicht Glück
macht zufrieden, sondern Zufriedenheit macht glücklich!
B K:
Vielleicht
wäre das aber als Filmtitel zu lang gewesen...
FXG:
(lacht) Ja wahrscheinlich schon.
B K:
Sind Sie
nach einem Dreh auch schon mal wieder privat von Leuten eingeladen worden?
FXG:
Ja, das kam schon vor. Nicht
regelmäßig, aber doch immer wieder mal. Bei einem Pizzabäcker in Simbach sind
wir mal drei Tage lang versumpft. Der hat uns dann zu Weihnachten immer
Fresspakete mit Parmaschinken geschickt und eine mundgeblasene Murano-Flasche
mit Grappa, bei der man eine nackte Frau gesehen hat, wenn sie leer war
(lacht). Den haben wir öfter besucht, weil er gar so gastfreundlich war.
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B K:
Ich habe
auch gelesen, dass die Frage "Was sagt ihre Frau dazu?"
immer gut ist, wenn Sie mal nicht mehr wissen wie Sie weitermachen sollen...
FXG:
(lacht) Ja, das ist eine sehr wichtige Frage.
B K:
Wenn ich
Ihnen jetzt mal eine andere typische "Gernstl-Frage" stellen würde, nämlich
"Sind Sie zufrieden, wie Sie bis jetzt gelebt haben?", was würden Sie dann
antworten?
FXG:
Ja, bin
ich (überlegt). Eigentlich ist alles ganz gut gelaufen. Ich habe nichts
wirklich zielstrebig verfolgt. Ich habe auch nicht geplant, die Firma megaherz
aufzubauen. Das hat sich einfach so ergeben. Wir haben Zuhause im Wohnzimmer
angefangen, die Filme mit geliehenen Geräten zu schneiden, irgendwann haben wir
ein Büro angemietet und uns erst später einen Schneideraum geleistet. Dann kam
ein Redakteur und fragte, ob wir „Dingsda“ produzieren wollen. Joa, können wir
schon machen, haben wir damals gesagt. Das war dann 15 Jahre lang unsere
Basisfinanzierung, die uns viele Spinnereien erlaubt hat. Ich habe und hatte
aber nie einen Lebensplan, weshalb ich auch noch nie ans Aufhören gedacht habe.
Ich hab mein Leben bisher dadurch gestaltet, dass ich Gelegenheiten wahrgenommen
habe.
B K:
Um dann
doch noch einmal das Wort zu benutzen.. Sie würden schon sagen, dass Sie GLÜCK gehabt
haben?
FXG:
Ja freilich. Ich habe zwei tolle Söhne, mir geht es finanziell ganz gut und ich
hab hier einen Laden mit 30 Leuten, die ich alle ganz gerne mag. Das war auch
ein Grund warum ich diese Firma gegründet habe. Weil ich mir die Leute, mit
denen ich gerne arbeiten möchte, auch selber aussuchen will. So gesehen passt
schon alles.
B K:
Vielleicht gibt es dann mal eine Dokumentation über Franz X. Gernstl...
FXG:
(lacht) Wenn die zum 60. Geburtstag angetanzt wären, dann hätte ich
gesagt "Nein, danke ich bin noch am Leben!".
B K:
Herr
Gernstl, haben Sie eine bayerische Lieblingsserie?
FXG:
Ich fand die letzte Polizeiserie vom Bogner ganz gut. ("München 7") Das ist
aktuell meine Lieblingsserie. Sonst halt "Münchner Geschichten" und "Kir Royal".
Wenn dem Dietl so etwas noch mal gelingen würde, wäre das toll.
B K:
Ich danke
Ihnen sehr für die Zeit und das überaus interessante Gespräch!
FXG:
Bitte, gerne!
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