Interview mit
Harold Faltermeyer
(31.10.2016 -
München/Baldham)
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©Gor Megaera |
Faltydorf - Das Schild, das Komponist und Produzent Harold Faltermeyer geschenkt
und aufgestellt hat, bezeichnet sehr gut das 65.000m² große Anwesen, auf dem er
schon als Kind aufwachsen durfte. Hier in Vaterstetten begann seine musikalische
Karriere, die in bis nach Hollywood führte, wo er für seine Welthits ("Axel F.",
"Top Gun" uvm.) u.a. mit einem Grammy geehrt wurde.
Bayerische Kultserien:
Herr Faltermeyer, heute ist der 31.10. Wie oft haben Sie Halloween in den USA
erlebt?
Harold
Faltermeyer:
Schon einige
Male. Die Filme, an denen ich beteiligt war, wurden eigentlich alle im Herbst
gemacht. Von dem her habe ich Halloween oft in den USA erlebt. Das war sogar ab
und zu sehr unangenehm. Die Studios lagen nämlich im Norden von Hollywood, was
nicht gerade die feinste Gegend ist. Dann hatten wir da unter anderem
beschmierte und mit Toilettenpapier verzierte Autos. Eine ganz schöne Sauerei.
Wir haben das ja aus Amerika importiert, obwohl es ja eigentlich aus Deutschland
kommen müsste, weil es ja die Nacht vor Allerheiligen ist.
B K:
Feiern Sie hier Halloween?
H F:
Nein, überhaupt nicht. Sich zu verkleiden liegt mir aber auch überhaupt nicht.
B K:
Könnten Sie mit einem Satz den größten Unterschied zwischen den USA und Bayern
beschreiben?
H F:
Das ist eigentlich ganz einfach. Die USA sind einfach 100x so groß. (lacht)
Und zwar nicht nur von der Fläche her, sondern auch vom Geschäftlichen. Wenn ich
da nur mal auf die Filmindustrie blicke, dann ist das so unvorstellbar größer
als hier. Was den Lifestyle angeht, dann ist es dort ungefähr so, als würde z.B.
in München ein Bauernhof stehen und der nächste wäre dann in Ingolstadt. Soviel
zum Größenvergleich.
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B K:
Gibt es denn, was die Menschen angeht, Gemeinsamkeiten?
H F:
(lacht)
Der tiefste, hinterwäldlerische Niederbayer wäre ein Stadtmensch gegen einen „Mid-Western“-Amerikaner.
Die schauen sehr oft nicht über ihren Tellerrand hinaus und reisen nicht. Man
darf sich Amerika nicht wie die Kulturstädte L.A., New York, Miami oder Chicago
vorstellen. Der mittlere Westen und die ländlichen Gegenden sind sowas von
unglaublich Weltfremd. Das kann man sich bei uns gar nicht vorstellen und ist
eine ganz andere Welt. Ich habe gerade erst gehört, dass in den USA 35 Millionen
Analphabeten leben. So etwas wie einen Personalausweis gibt es dort z.B. auch
nicht und es haben Millionen Amerikaner keinen Pass, mit dem sie reisen könnten.
Übrigens können diese auch nicht wählen (zum Zeitpunkt des Interviews läuft der
Wahlkampf Trump vs. Clinton), weil sogar keine Photo-ID (vergleichbar mit einem
Führerschein) vorhanden ist und die nächste Stadt in der man wählen könnte, zu
weit weg.
B K:
Ist Amerika nicht gerade auch in solchen Gegenden, Sie haben bestimmt auch Zeit
außerhalb der Metropolen verbracht, sehr interessant?
H F:
Ich habe versucht auch außerhalb der großen Städte unterwegs zu sein, aber habe
es nicht immer geschafft, da meine Arbeit immer in den Metropolen statt gefunden
hat. Abgesehen davon ist Amerika ein wunderschönes Land. Allerdings ist man nach
sechsmonatiger Arbeit an einem Projekt etwas ausgebrannt und froh wieder
Nachhause zu kommen. Trotzdem habe ich durch meine Fliegerei sehr viel von den
USA sehen können. Da gab es schon Gegenden, in denen man sich wie in einem
Western vorgekommen ist. Abgelegen, karg und mit Tumbleweeds (rollende
Steppenpflanze). Und dann kommt man wieder in dieses „Glitzerwerk“ Los Angeles.
(lacht) Amerika ist schon ein hochinteressantes Land.
B K:
In Ihrer Biografie schreiben Sie ja fast schon liebevoll über Bayern bzw. Ihre
Heimat. Gab es jemals auch eine „Heimatverdrossenheit“ bei Ihnen? Momente, bei
denen Sie am liebsten ausgewandert wären?
H F:
Keine Verdrossenheit, aber mich hat einfach auch immer meine Neugierde und
immerwährende Rastlosigkeit rausgetrieben. Ich bin ein Mensch, der immer etwas
zu tun haben muss und nicht rumsitzen kann. Mich straft man am meisten mit einem
Liegestuhl und fürchterlich viel Zeit. Das war von frühester Jugend an so,
obwohl ich ja hier auf dem Anwesen, wo ich ja auch aufgewachsen bin, ein
absolutes Paradies habe. Mich hat es immer wieder raus und in fremde Länder
gezogen. Natürlich auch Berufsbedingt. Trotzdem war ich auch immer wieder gerne
hier. Auswandern und hier etwas aufzugeben kam mir deshalb nie in den Sinn und
war keine Option.
B K:
Hatten Sie es durch Ihre Herkunft, vielleicht auch noch den bayerischen
Dialekt, einfacher in den USA? „I’m from Bavaria“ hat eventuell einen gewissen
Charme. Bayern ist ja im Ausland immer das bekannteste Bundesland von
Deutschland.
H F:
(grinst)
Was der Amerikaner als erstes von Deutschland weiß, sind drei oder vier Dinge:
Die Kuckucksuhr, das Hofbräuhaus, das Oktoberfest und Adolf Hitler….und der war
Österreicher. Von diesen Sachen sind schon mal 50% bayerisch. Als nächste
Bemerkung kommt dann meistens „They have the greatest beer!“. Das sind
natürlich Klischees, aber das ist auch gut so. Das hilft einem aber noch lange
nicht in der Kommunikation. Man muss schon gut englisch können. Hätte ich nicht
vorher schon als Musiker in Münchner Clubs gespielt, in denen viele Amerikaner
verkehrt sind, dann wäre ich mit meinem Schulenglisch nicht weit gekommen. Es
war schon besser den Slang der Amerikaner zu kennen.
B K:
Also ein anderer Werdegang als bei Arnold Schwarzenegger seinerzeit…
H F:
(lacht)
Ja! Aber der hat daraus natürlich auch einen Gag gemacht, den er gut genutzt
hat. Das hat für ihn wunderbar funktioniert. Aber er ist auch Schauspieler und
ich nicht. (grinst)
B K:
Wenn ein Freund aus den USA Sie hier besucht, was zeigen Sie ihm als erstes?
H F:
Meine selbstgebaute Almhütte und ihm dort als zuerst mal ein Bier auftischen.
(lacht) So erst kürzlich geschehen bei meinem guten Freund und Co-autor
Keith Forsey (produzierte viele Hits mit Billy Idol, Simple Minds und ist
Oscar-Gewinner für den Soundtrack von „Flashdance“)
B K:
Haben Sie in Deutschland außer Ihrer Heimat noch andere Lieblingsorte?
H F:
Ja, Hamburg. Ich finde die Stadt großartig. Das hat für mich etwas von der
großen, weiten Welt, weil dort die Elbe und der Hafen sind und man dort die
Hochseedampfer reinschippern sieht. Abgesehen davon ist auch Hamburg selbst sehr
charmant und spannend.
B K:
Die Lieblingsstadt in Amerika?
H F:
Unbestritten New York. Das ist einfach „die eine Stadt“. Los Angeles ist ja z.B.
keine Stadt, sondern ein Bündnis aus mehreren Gemeinden, die einen Ortskern
suchen.
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B K:
Sie haben mal von „Wellen“ im Musikgeschäft gesprochen, bei denen man versuchen
kann aufzuspringen. Ich glaube da gibt es ja sicherlich viele Parallelen zu
Filmgeschäft. War da in den 80ern gerade eine große Welle vorhanden?
H F:
Ja, auf jeden Fall. Da ist sehr viel passiert. In der Zeit sind die Filmmusiken
groß geworden. Nach „Saturday Night Fever“ wurden plötzlich mit Soundtracks
mehrere Millionen gemacht. In der Gesellschaft, der Mode und der Kunst gab es
einen zeitgeistlichen Wandel der zu bestimmten Musikrichtungen geführt hat.
Eingeleitet durch die Discozeit. Da sind große Lieder geschrieben worden. Und
die Welle hatte natürlich auch noch eine gute Sache: Sie war lange Zeit vor den
Downloads. Der Fokus lag auf dem Verkauf von Platten. Es war klar, dass man
Musik kaufen musste und sie einen Wert hat. Und man hat das damals auch gerne
getan, weil das etwas zum anfassen war. Das war die große Zeit der Sales. Ich
kann man mich noch erinnern, das seinerzeit die Platten von Donna Summer bei
„Tower Records“ palettenweise reingefahren wurde. Das waren Verkaufserfolge, die
man sich nicht mehr vorstellen kann. Selbst wenn man heutzutage Millionen
Streams hat, ist das nicht mehr so viel wert.
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B K:
War die Digitalisierung dann ein Fluch oder Segen?
H F:
Beides zugleich. Das wunderbare war, dass von einer Kopie nichts mehr verloren
ging und die Qualität gleich blieb. Der Weg vom Band zur Festplatte als
Speichermedium brachte auch eine andere Art der Sounderzeugung. Statt
Instrumente, die überall herumstehen mussten, hatte man Plug Ins und eine
Software, die Klänge erzeugt hat. Am Anfang natürlich auch erstmal fürchterlich.
B K:
Also technisch ein Segen, für den Verkauf ein Fluch?
H F:
Das die Sales nach unten gingen hatte auch andere Gründe. Die Diversifizierung
und Herstellung der Musik wurde immer einfacher. Früher musste man in ein Studio
gehen und nicht jeder konnte sich das leisten. Jetzt kann man quasi in der
Unterhose auf dem Bett sitzen und eine CD aufnehmen. Dem Ruf sind natürlich auch
viele Leute gefolgt und plötzlich hat jeder komponiert. Die Beschaffung von
Sound bzw „Sound Libraries“ ist immer billiger geworden. Außer der Tatsache,
dass dann viele gleich klangen, entstand ein anderes Problem: Man konnte nicht
mehr die Spreu vom Weizen trennen oder unterscheiden. Die Tracks, die in dieser
Zeit entstanden sind, haben erstmal gut geklungen, waren es aber eigentlich
nicht. Dadurch haben sich einige A&R-Manager, der damals noch bestehenden
Musikindustrie, blenden lassen. Da sind bestimmt einige gute Dinge verhindert
worden, weil zu viel auf den Markt geworfen wurde. Eine digitale
„Kreativverstopfung“ nenn ich das. Danach hatten die Leute logischerweise keine
Lust mehr Musik zu kaufen und es folgten Portale wie Napster und Co., die dem
ganzen auch den Wert genommen haben.
B K:
Die meisten Schauspielersprechen von viel weniger Zeit als früher für eine
Produktion verwendet wurde…
H F:
Und weniger Geld. Das ist ja klar. Man konnte sich mehr Zeit lassen und auch
mehr experimentieren, weil der Gegenstand mehr Wert hatte und das Budget
vorhanden war. Billy Idol hat eine Platte für eine Million Dollar produziert.
Wenn sie damit heute zu einer Plattenfirma kommen, dann sagen die: „Für eine
Million produzieren wie den ganzen Katalog!“.
B K:
Glauben Sie das wird sich irgendwann mal wieder ändern?
H F:
Ich weiß es nicht. Das Verlangen nach Musik und Entertainment bei den Menschen
wird immer vorhanden sein. Nur wie man sich bedient wird sich ändern. Ich bin
mir sicher, dass die CD verschwinden wird und hauptsächlich das Streaming übrig
bleiben wird. Auch Downloads als solche wird es wahrscheinlich nicht mehr geben.
B K:
In Ihrem Buch schreiben Sie auch über den Burnout im Jahr 2006. Hat dieser
Vorfall noch mal verstärkt dazu beigetragen, dass Sie Ihre Heimat noch mehr
geschätzt haben?
H F:
(überlegt)
Ja sicherlich. Ich hatte dieses so genannte „Anxiety Syndrome“ und das war eine
Art Burnout. Ich war der festen Überzeugung zu sterben und konnte die ersten
Tage nicht normal denken. Als sich das etwas gelegt hatte, musste ich mir
überlegen, was ich ändere um das nicht noch mal zu erleben. Ein Grund warum ich
diese Angst bekam war, dass in meinem Leben zu viele offene Baustellen
existierten. Dazu gehörte das Leben hier, das Leben in Amerika und natürlich
auch mein Privatleben. Ich als Sternzeichen Waage bin ja sowieso Harmoniesüchtig
und die gab es zu diesem Zeitpunkt bei mir nicht. Da war nichts im Gleichklang
und es hat nichts gepasst. Mir war dann klar, dass ich zum einen in meinem Leben
aufräumen muss und zum anderen den Fokus und das Zentrum meines Wirkens wieder
dorthin zu legen, wo ich es am liebsten habe. Und das ist eindeutig hier. Das
Ganze hat mir mein Leben in Bayern noch wertvoller und wichtiger gemacht.
B K:
Eine gewisse Ausgeglichenheit oder Gelassenheit muss Ihnen doch auch früher bei
der Arbeit mit den „Stars und Sternchen“ geholfen haben?
H F:
Wenn ich ehrlich bin, wusste ich da einfach immer, dass ich mein Handwerk
beherrsche und konnte dadurch im Studio eine gewisse Ruhe vermitteln. Ich war da
eigentlich immer ein Fels in der Brandung und bin nie ausgeflippt. Böse wurde
ich nur, wenn ich Unintelligenz um mich herum gehabt habe. Da konnte ich schon
auf den Tisch hauen. Die Animosität von anderen Leuten hat mich nie aus der Ruhe
gebracht. Wenn man den Beruf des Produzenten ausübt, benötigt man absolutes
Wissen in seinem Handwerk und eine gewisse psychologische Gabe, die Menschen zu
durchschauen. Mit dem Künstler umzugehen, seine Probleme zu verstehen und zu
erahnen und ihn dahin zu führen, wo man ihn gern hätte, das macht die Arbeit
eines kreativen Produzenten aus. Dazu gehört eben auch sehr viel
Einfühlungsvermögen.
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B K:
Für die musikalische Untermalung der erfolgreichen bayerischen Kultserien der
80er Jahre waren meistens Haindling oder Konstantin Wecker zuständig, bei dem
Sie auch Keyboard gespielt haben. Wäre das auch etwas für Sie gewesen?
H F:
(überlegt)
Sagen wir mal so, wenn mich jemand gefragt hätte, warum nicht? Aber es ist da
nie jemand an mich herangetreten. Speziell in dieser Zeit bin ich aber auch in
Amerika von einem Projekt zum nächsten gehetzt. Ich weiß auch noch, dass sogar
Willy Bogner Probleme hatte mich für „Feuer und Eis“ zu bekommen. In diesem Sog
„Hollywood“ war ich extrem beschäftigt und hatte Deutschland nicht auf meiner
Prioritätenliste. Ohne Arrogant sein zu wollen, wäre das vom Umfang her gar
nicht gegangen.
B K:
Weswegen es wahrscheinlich auch gar keiner probiert hat.
H F:
Das mag auch sein. Ich habe später auch mal mit Helmut Dietl zusammengearbeitet.
Das war beim Film „Vom Suchen und Finden der Liebe“ mit Alexandra Maria Lara und
Moritz Bleibtreu, der leider nicht sehr gut gelaufen ist. Dadurch ist die Musik
dazu auch etwas mit nach unten gezogen worden.
B K:
Wie war die Arbeit mit Helmut Dietl?
H F:
Schon sehr interessant. Allerdings haben wir uns auch während des Projekts
wieder getrennt. Ich hatte die Lieder geschrieben und er ist dann mit der ganzen
Produktion in eine andere Richtung gegangen, als ich dachte. Aufgrund des
Drehbuchs, welches ich als eines der besten empfand, dass ich gelesen habe, habe
ich mich auch für die Musik verpflichten lassen. Wie es dann aber halt so ist,
kam etwas anderes dabei heraus und wir haben irgendwann die Notbremse bei der
Zusammenarbeit gezogen. Meine Lieder sind aber noch im Film. Wir kamen auch gut
miteinander aus. Es ging nur darum, dass er die weibliche Hauptrolle als
Chanson-Darstellerin skizzierte und ich eher von einem Popsternchen ausging. Da
hatten wir verschiedene Meinungen was im Film funktioniert.
B K:
Beim Lesen Ihrer Biografie dachte ich oft: Wie kann sich ein Mensch so viele
Dinge aneignen? Die fliegen, malen, jagen, brauen Bier und können Ihre eigene
Weißwurscht herstellen...
H F:
Das geht auf verschiedene Art und Weisen. Jetzt gelte ich z.B. bei der Jagd
sicher nicht als "Sonntagsjäger", der jetzt mal seinen Jagdschein gemacht hat,
um mit irgendwelchen Schicki-Micki-Fritzen auf die Treibjagd zu gehen, sondern
habe eine Passion dafür. Deswegen musste ich erstmal viel lernen. Der Jagdschein
gilt ja als das grüne Abitur. Beim Fliegen ist es genau das Gleiche. Es gibt
aber eben auch andere Berufungen und Hobbys, bei denen ich nichts lernen musste,
sondern einfach bei anderen zugeschaut habe, wie die das machen. Zum Beispiel
hatte ich bei der Wurstherstellung zuerst überhaupt keine Ahnung. Mein Cousin
hatte damals eine Metzgerei in Daglfing, wo ich dann einfach mal am Morgen mit
dabei war und zugeschaut habe. So ging das auch mit dem Schreinern und dem
Bierbrauen. Immer wieder bei denen, die es können nachfragen oder in der
passenden Literatur nachlesen. Bei mir war es dann auch immer so, dass ich mir
gleich die Profigerätschaften gekauft habe und halt nicht die Stichsäge für 35
Euro aus dem Baumarkt. Natürlich war das teuer, aber im Nachhinein kam mich das
sicher billiger, weil ich so die Dinge gleich richtig machen konnte und nicht
ständig Neues besorgen musste. Entweder mache ich etwas richtig oder ich mache
es nicht. Und ich habe auch echtes Interesse daran. Außerdem ist das alles ein
perfekter Ausgleich zur Musik für mich, bei der vor allem mein Kopf sehr
angestrengt arbeiten muss. Da bin ich sehr angespannt und nach einer fertigen
Produktion auch sehr ausgebrannt. Da ist eine handwerkliche Arbeit wie ein
Geschenk, bei dem ich mich beruhigen kann. Meistens kommt dann auch etwas dabei
heraus, was man essen oder darauf sitzen kann. (lacht)
B K:
Ich nehme mal an wir sind hier gerade auch umgeben von "Made by Faltermeyer"?
(Das Gespräch findet an einem großen Holztisch, auf einer schönen Holzbank, mit
Hirschgeweihen über uns, vor einer in der Wand eingelassenen Zapfanlage und
direkt neben der heimischen kleinen Metzgerei statt.)
H F:
Ja sicher, das ist alles selber gemacht.
B K:
Hatten Sie eigentlich auch mal das Angebot, bei einer Casting-Show mitzumachen?
H F:
Ich war mal in einer Casting-Show, namens "Comebackshow", bei der Chris Norman
gewonnen hatte und wo viele alt gediente Personen der Popmusik auftraten. Dort
war ich Juror. Vorher gab es mal die "Soundmix-Show" mit Linda de Mol, aber hier
ging es eher darum wie gut man Lieder nachsingen kann. Mein Problem mit
Casting-Shows generell ist, dass mir die Protagonisten immer leid tun, weil
diese mit den Erwartungen an den Start gehen, ein Superstar zu werden und das in
den seltensten Fällen gelingt. Sobald die Show durch, der Sender seine Quoten
hatte und der Sieger gekürt ist, wird selbiger auch wieder fallen gelassen oder
bekommt vielleicht Alibi mäßig einen Plattenvertrag. An dem ist dann der Sender
knallhart beteiligt. Was mich auch ankotzt ist diese Schaulust des Publikums.
Das ist vergleichbar mit Gladiatorenshows im alten Rom, bei denen man sich am
Leid der anderen ergötzt hat. Ein verwerflicher Charakterzug. Auch deshalb mag
ich das nicht.
B K:
Wie war es für Sie als Musiker mit dem Schreiben Ihrer Biografie zu beginnen?
H F:
Also erstmal bin ich a) ein sehr guter Geschichtenerzähler, b) habe ich ein
gutes Gedächtnis und c) kann ich auf ca. 45 Jahre Musikgeschichte zurückblicken.
Diese drei Sachen waren der Grundstein für diese Biografie. Wenn ich mit
Freunden zusammen saß, dann habe ich immer wieder Anekdoten aus dieser Zeit
erzählt. Bis meine Frau, die selbst Journalistin und erfahren im Autorengeschäft
ist, zu mir gesagt hat: "Du musst das einfach niederschreiben!" Ich selber habe
ja auf englisch zu schreiben begonnen, weil ich mir da einfach leichter tue. Ich
hatte aber auch einen Ghostwriter, der mir geholfen hat.
B K:
Ich kann mir vorstellen, dass es da noch einiges zu erzählen gäbe. Wird es
vielleicht mal einen Teil 2 geben?
H F:
Das kann ich noch nicht sagen. Auch nicht, ob das bisher erlebte dafür schon
genügt. Aber ich sage immer: "Ich bin ja noch jung!" (lacht) Von Rente
kann noch keine Rede sein. Ergo werde ich auch weiterhin noch arbeiten und wer
weiß, ob hier noch die ein oder andere Geschichte bzw. auch Erfolgsgeschichte
entsteht.
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B K:
Es gab ja auch eine Zusammenarbeit von Ihnen und Wolfgang Fiereck. Sicher eine
andere als mit Stars aus Amerika. Wie war das?
H F:
Wolfgang ist natürlich ein Pfundskerl und ein bayerisches Original. Er hatte ja
vor 30 Jahren mal einen ganz großen Hit mit "Resi, i hol di mit mei'm Traktor
ab". Im Laufe der Jahre hat er mich immer wieder gefragt, ob ich nicht ein Lied
für ihn hätte, aber ich hatte keines. Vor drei Jahren, ca. als ich mit meiner
heutigen Frau zusammen kam, war das anders. Birgit und Wolfgang sind auch schon
länger befreundet. Bei einer ihrer Einladungen auf dem Oktoberfest saß er dann
neben mir und fragt mich, was ich denn als nächstes mache. Ich habe geantwortet:
"Ich weiß es nicht." Darauf er: "Aber ich weiß es. Du machst ein Album mit
mir!". (lacht) Ich habe erst noch abgewiegelt und gemeint: "Wenn mir
etwas einfällt, dann machen wir was zusammen.". Irgendwie bin ich dann auf "Sweet
Home Bavaria" gekommen, weil er ja genauso wie ich, ein Reisender zwischen den
zwei Welten Amerika und Deutschland ist. Im übrigen kennt Wolfgang sich ja sehr
gut aus, was die Rockmusik angeht, weil er ja auch mal DJ war. Innerhalb von
drei Wochen hatten wir dann 13 Songs komponiert, inklusive Text, bei dem ich
zwar erst einen Texter hinzuziehen wollte, aber es dann doch selber geschrieben
hab. Ich kann ja gut bayerisch. Das Ganze war zwar kein so großer Erfolg, aber
das ist mir eigentlich egal, denn wir haben hier nichts desto trotz richtig
coole bayerische Lieder geschaffen, von denen auch schon zwei von einer
bekannten Band aus Österreich gecovert wurden. Aber das etwas nicht so läuft wie
man es gerne hätte, das gibt's halt.
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B K:
Ich würde gerne noch auf das Oktoberfestmusical zu sprechen kommen. Sie haben
mal gesagt in Amerika und China ja...in Deutschland wird es das eher nicht
geben. Warum?
H F:
Ich habe gesagt: "eher nicht." oder "eher nicht so schnell.", das ist ein
Unterschied. (lacht) Ein kategorisches Nein würde ich nie machen.
B K:
Als ich davon gehört habe, war mein erster Gedanke: Warum hat vorher noch nie
einer gemacht?
H F:
(nickt) Als mir das angetragen wurde, denn es war ja eine Auftragsarbeit,
habe ich mir auch sofort an den Kopf gelangt und gedacht: "Wieso habe ich die
Idee nicht selber!" (lacht) Es liegt einfach auf der Hand. Allerdings
muss ich sagen, dass das reizvolle an diesem Stück die englische Sprache ist. Da
klingt ein "Prosit der Gemütlichkeit" irgendwie pfiffiger. Die Geschichte ist so
geschrieben, dass man dem Publikum quasi die Historie in Flashbacks erzählt, wie
das Oktoberfest entstanden ist. Es ist wunderbar von Philip LaZebnik, der u.a.
auch viele bekannte Disney-Produktionen gemacht hat, geschrieben worden. Im
Moment wird das noch auf kleineren Bühnen in L.A. aufgeführt, aber es entwickelt
sich da langsam immer mehr und bald wird es auch eine Stufe größer. Wenn man
etwas von ganz unten langsam aufbaut, dann ist das bestimmt eine gesunde Art ein
Musical zu starten. Und wir haben dafür auch wirklich ganz tolle Darsteller und
Regisseure.
B K:
Gibt es eine bayerische Serie, die Sie gerne angeschaut haben?
H F:
(überlegt) Als ich klein war, fand ich das "Königlich Bayerische
Amtsgericht" wahnsinnig toll. Schon allein der Anfang: "Das Bier war noch dunkel
und die Madel noch sittsam..." Das war legendär! Lustigerweise habe ich in
meiner ersten Zeit als Tontechniker auch viel mit diesen Protagonisten bei
Hörspielen gearbeitet. Max Grießer, Michl Lang, Maxl Graf und wie sie alle
heißen. Leider sind die alle nicht mehr da. Und es gibt einen bayerischen Film,
bei dem ich mir immer fast in die Hosen gepieselt hab vor Lachen und das ist
"Wer früher stirbt ist länger tot". Das ist wirklich authentisch und hier wird
nicht etwas mit Gewalt auf bayerisch erzählt sondern mit einem ganz tollen Sinn
für Humor. Großartig!
B K:
Herr Faltermeyer, ich danke sehr für das nette Gespräch!
H F:
Gerne!
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